Berühmte Streitigkeiten aus der Geschichte

Der deutsche Flaggenstreit: Ein Beispiel für einen symbolträchtigen, politischen Streit

Wahlplakat der Deutschnationalen Volkspartei, 1924, Bildquelle: Lebendiges Museum Online

In der Weimarer Republik (1919-1933) ging es beim Flaggenstreit so richtig zur Sache: Die Novemberevolution 1918/19 hatte die alte kaiserliche Ordnung vom Thron gefegt – und mit ihr auch die Farben Schwarz-Weiß-Rot, die für das Kaiserreich standen.

Mit Einführung der Demokratie sollte es neue Farben geben: Schwarz-Rot-Gold. Die enttäuschten Anhänger der Monarchie sowie rechte und konservative Kreise waren damit jedoch überhaupt nicht einverstanden – sie sahen in den neuen Farben einen Ausdruck von Verrat und nationaler Schwäche. Die alten Farben standen für sie dagegen für preußische Stärke, Tradition und Ehre. Die Debatte war entsprechend hitzig – Abgeordnete sprachen sogar von einem Angriff auf die „nationale Würde“ und orakelten von einem möglichen Bürgerkrieg.

Am Ende fand man doch noch einen Kompromiss: Die Nationalflagge wurde Schwarz-Rot-Gold, aber die Schiffe zur See durften noch Schwarz-Weiß-Rot zeigen. Trotzdem blieb der Konflikt um die Farben über Jahre ein Politikum, das die jungen Demokraten und die alten Eliten immer wieder gegeneinander aufbrachte.

Manche Streitigkeiten drehen sich scheinbar nur um Kleinigkeiten – wie zum Beispiel Farben auf einer Fahne. Aber hinter solchen Symbolen steckt oft viel mehr: Es geht um das eigene Selbstverständnis, Werte und Zugehörigkeit. Der Flaggenstreit in der Weimarer Republik zeigt, wie heftig Auseinandersetzungen werden können, wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Identität auf dem Spiel steht. Symbole wie Flaggen lösen deshalb oft besonders starke Gefühle aus – und können ganze Gesellschaften spalten oder verbinden.

QUELLEN

Ausführlich: Deutscher Bundestag: Kalenderblatt – 3. Juli 1919: National­versammlung stimmt Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold zu“
Zum Nachhören (6 min): Deutschlandfunk Kultur: Elke Kimmel, 29.12.2021, „Flaggenstreit um Schwarz-Rot-Gold oder Schwarz-Weiß-Rot“
In aller Kürze: Lebendiges Museum Online: „Der Flaggenstreit“

Streit mit einem Toten

Im Jahr 897 ließ Papst Stephan VI. den Leichnam seines Vorgängers Papst Formosus („der Schöne“) ausgraben und vor Gericht stellen. Dieser sog. „Kadaverprozess“ war ein skandalöser Schauprozess, bei dem die Leiche des toten Papstes auf einem Thron platziert wurde und Stephan VI. ihn der Amtsanmaßung bezichtigte, um von eigenen Fehlern abzulenken. Die Leiche wurde „verteidigt“ und schließlich verurteilt, mit der Folge, dass sie entkleidet, ihr drei Finger abgehackt und in den Tiber geworfen wurde.

Dieser makabre Streit spiegelt auf besonders bizarre Weise politische Machtkämpfe innerhalb der Kirche und weltlicher Herrschaft wider, die mit Mord, Intrigen und Kämpfen um das Papstamt verbunden waren. Stephan VI. selbst wurde später gestürzt und getötet, vermutlich als Reaktion auf diese schockierende Aktion.

Der Streit um Formosus zeigt, dass Machtstreitigkeiten ohne Respekt und Menschlichkeit in schreckliche Entgleisungen führen können. Der Kadaverprozess ist eine eindrückliche Lektion, was man unterlassen sollte – ein klares „Just don’t do it!“ Diese Geschichte illustriert drastisch, wie tief Konflikte und Streit eskalieren können, wenn Machtgier und Rachsucht im Spiel sind – eine Mahnung für jede Art von Streitkultur.

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Frauenwahlrecht in Deutschland

Ein anschauliches historisches Beispiel für die gesellschaftliche Funktion von Streit ist die Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland. Jahrzehntelang stritten Frauenrechtlerinnen, Politikerinnen und ihre Unterstützer für das Recht der Frauen auf politische Teilhabe. Ihnen wurde massive Ablehnung, Spott und auch institutioneller Widerstand entgegengesetzt. Es hieß zum Beispiel, Frauen hätten nur eine verminderte Intelligenz und durch ihre Gebärfähigkeit hätten sie eine „natürliche“ Bestimmung für den privaten, politikfernen Bereich.

Erst durch laute öffentliche Debatten, organisierte Protestmärsche und politische Artikel wurde das Thema unübersehbar. Die Positionen – von erbitterten Gegnern bis zu glühenden Befürwortern – prallten immer wieder aufeinander. 1918, nach Ende des Ersten Weltkriegs, führte die Republik das Frauenwahlrecht ein.

Dieses Beispiel zeigt: Streit ist unbequem – aber er ermöglicht gesellschaftlichen Wandel. Hätten die streitbaren Frauen nicht beharrlich gekämpft und ihre Anliegen immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt, gäbe es heute keine politische Gleichstellung von Frauen in Deutschland. Der Streit wurde letztlich zu einer treibenden Kraft für Gerechtigkeit und demokratische Teilhabe.

QUELLEN

Zum Frauenwahlrecht: Bundeszentrale für politische Bildung (Kerstin Wolff): „Der Kampf der Frauenbewegung um das Frauenwahlrecht“ 12.11.2018