Rap aus weiblicher Perspektive

In der Rapszene, die nach wie vor von Männern dominiert ist, sind zunehmend auch weibliche Rapperinnen erfolgreich – etwa Shirin David, Nura, Sookee, Ikkimel oder Loredana. Dabei rappen sie über ganz unterschiedliche Themen und nicht alle verfolgen dabei den Anspruch feministisch oder empowernd zu sein. Die Künstlerinnen, die feministische Texte schreiben, verfolgen dabei wiederum unterschiedliche Strategien.

  1. Rapperinnen übernehmen die Sprache und Begriffe, die bei männlichen Rappern benutzt werden und geben sie mithilfe von Ironie und Übertreibungen wieder. Dadurch entsteht eine kritische Aneignung von frauenfeindlichen Darstellungen im (männlichen) Rap
  2. Rapperinnen thematisieren verschiedene Formen von Diskriminierung (Geschlecht, Klasse, Ethnie, sexuelle Orientierung) und versuchen dabei aber die bestehende (frauenfeindlichen) Sprache nicht zu verwenden. Dadurch wollen sie ein Reproduzieren, also Weiterverbreiten, frauenfeindlicher Begriffe und Darstellungen vermeiden.

Heftige Diskussionen gibt es zu der Frage, ob Rapperinnen wie SXTN (lösten sich 2018 auf) oder auch Schwesta Ewa Misogynie reproduzieren und so frauenfeindliche Bilder und Sprache weitergetragen werden.

SXTN - Kosmonaut Festival 2017 12

Zeig ma’ bisschen Haut und zieh dich aus.
Stell dich nich’ so an, denn ich bin hier der Mann.
Wackle mit dem Arsch auf der Bühne.
Mach ihn hart, gib dir Mühe.
Ich will Spaß, also weg mit dem BH.
(SXTN, „Ausziehen“, 2017)

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Ein Beispiel für die erste Strategie: SXTN benutzen übertrieben sexistische Sprache, um zu zeigen, wie Frauen im Rap oft dargestellt werden. Problematisch ist an dem Song, dass an keiner Stelle diese Ironie und Übertreibung aufgelöst wird. Dadurch besteht die Gefahr, dass frauenfeindliche Sprache ungefiltert an die Hörer*innen weitergegeben wird.

„—Suprise!— Es gibt doch mehr als zwei Geschlechter
Wirf‘ ein‘ Blick in die Natur und du weißt, wer Recht hat
Männchen vögeln Männchen, Weibchen lieben Weibchen
Lasst uns die Menschen öfter mit Tieren vergleichen“
(Sookee „Queere Tiere“, 2017)

Separee: Sookee
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Ein Beispiel für die zweite Strategie: Sookee macht deutlich: Vielfalt ist natürlich. Mit Humor und Beispielen aus der Tierwelt kritisiert sie starre Geschlechterrollen und wirbt für Akzeptanz von queerer Identität.

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Ihr habt lang genug gewartet, Female Rap kommt jetzt straight,
lass die andern weiter singen, euer Hate bekommt ’nen Upgrade […]
Spieglein Spieglein nennt Die P als beste Female im Land.
Scheiß auf Barbie Puppen, bin ’ne Action Figur mit Blunt.
(Die P, „Lass Sie Warten“, 2020)

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Die P spielt ironisch mit dem Label Female Rap. Statt ihren Körper oder ihre Sexualität ins Zentrum zu stellen, fordert sie Respekt für ihre Fähigkeiten. So verschiebt sie den Fokus weg von Geschlechterstereotypen hin zur künstlerischen Leistung. In anderen Songs thematisiert Die P auch andere Diskriminierungserfahrungen wie Rassismus oder Klassismus.

Wir sehen hier also, dass Rap nicht nur frauenfeindliche Sprache reproduziert, sondern auch Räume für Kritik, Empowerment und neue Perspektiven eröffnet. Zwar lässt sich darüber diskutieren, wie konsequent feministisch einzelne Rapperinnen auftreten oder ob sie teilweise Klischees bedienen – doch in jedem Fall machen sie weibliche und queere Stimmen sichtbar. Mit dem Zuwachs an Rapperinnen hat die Vielfalt innerhalb der Szene spürbar zugenommen. Damit wird deutlich: Frauen im Rap sind nicht auf stereotype Rollen wie „Engel“ oder „Hure“ festzulegen, sondern treten vielfältig, stark und selbstbestimmt auf.

Thought

Welche Strategie würdest du anwenden? Findest du Rapperinnen wie SXTN problematisch oder feministisch und empowernd – oder vielleicht beides?


Quellen:
Nila Sarabi (2022): „Zwischen Feminismus und Frauenhass: Frauen und Queers of Color im Deutschrap„. Heinrich Böll Stiftung.
Emmanuel Breite (2023): „Hip-Hop-Feminismus: Feministische Perspektiven auf die strukturellen
Zusammenhänge von Kapitalismus, Rassismus und Sexismus im Gangsta Rap
„. Erschienen in: Verónica Abrego, Ina Henke, Magdalena Kißling, Christina Lammer, Maria-Theresia Leuker (Hg.), Intersektionalität und erzählte Welten: literaturwissenschaftliche und literaturdidaktische Perspektiven, Darmstadt 2023, 277-309.

Bildquellen:
Separee: Sookee“ by boellstiftung is licensed under CC BY-SA 2.0.
SXTN – Kosmonaut Festival 2017 12“ by Florian Koppe is licensed under CC BY-SA 4.0.
20220722 Die P Rapperin“ by Paul Broeker is licensed under CC BY-SA 4.0.