Wie äußert sich Homophobie im Rap?

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Seit 1969 ist Homosexualität in Deutschland schrittweise entkriminalisiert worden, 2017 wurde schließlich die Ehe für alle eingeführt. Die rechtliche Gleichstellung scheint erreicht zu sein. Dennoch erleben schwule, lesbische und bisexuelle Menschen bis heute Diskriminierung, Abwertung und Hass. Auch im Deutschrap zeigt sich diese Homophobie. Häufig werden Wörter wie „schwul“ oder „Schwuchtel“ als Schimpfwort und Beleidigung verwendet. Aber warum greifen Rapper überhaupt zu solchen Worten? Und was bedeutet es eigentlich, wenn alles Mögliche plötzlich als „schwul“ bezeichnet wird?

Ein paar Beispiele

„Und du hast dich als ’ne Schwuchtel geoutet, du Spast.“

„Spotlight“ (2006). Nyze

Eine in dein Bein, boom, Shotz fired (Duh)
Gruß an meinen kleinen Bullen-Nuttensohn aus Bayern
Sag, du bist nicht schwul (Hah), bist du meia?
Pack mal lieber wieder deine Hand an meine Eier (Schwuchtel)“

„Shotz Fired“ (2020), Bonez MC

„Deutscher Rap ist schwul“

„Pääh“ (2015), Xatar feat. SSIO

„Du bist ein Mann, der mit Männern bumst für’n Tenner bumst /
Ich spitt’ Fire wie ein Bunsenbrenner vom Morgengrauen bis zur Dämmerung“

„Monstershit“ (2005), Kool Savas und Azad

„Jeder kennt den Türken in dir, deinen schwulen Freund /
Ich hab den Schwanz, von dem dein Luder träumt“

„Du Opfer“ (2005), Fler und B-Tight

Wie werden homophobe Begriffe verwendet?

In vielen Rap-Texten dienen homophobe Ausdrücke dazu, die eigene Männlichkeit zu betonen und aufzuwerten. „Schwul sein“ wird dabei oft mit Eigenschaften verbunden, die als „weich“ oder „unmännlich“ gelten und klassisch eher Frauen zugeschrieben werden. Es wird also auf das Klischee des femininen, „verweiblichten“ schwulen Mannes angespielt (Vanagas 2021, 160). Homosexualität wird in diesem Zusammenhang häufig mit Schwäche gleichgesetzt – ähnlich wie es im Rap bei der Gegenüberstellung von „männlich“ und „weiblich“ passiert.

Eine andere Form von Homophobie im Rap zeigt sich, wenn Begriffe wie „schwul“ oder „Schwuchtel“ einfach als Platzhalter für etwas Negatives benutzt werden. Theoretisch könnte man hier auch ein anderes negatives Wort, wie zum Beispiel „scheiße“ einsetzen, ohne dass sich die Aussage wirklich verändert. Auch wenn die Abwertung homosexueller Menschen nicht direkt im Mittelpunkt steht, bleibt sie problematisch: Erstens wird Homosexualität dadurch automatisch mit etwas Schlechtem verbunden. Zweitens beeinflusst Sprache unser Denken und Handeln. Wenn Menschen ständig hören, dass „schwul“ in Rapsongs gleichbedeutend mit „schlecht“ oder „schwach“ ist, kann sich diese Haltung unbewusst in der Realität verfestigen.

„Es geht ums Schocken, ums Starker-Mann-Machen, um Battle. […] Words are just words, right? Nicht unbedingt. Worte schaffen bei ständiger Wiederholung Standards. Und Standards schaffen Normen. Und Normen schaffen Ausschluss. […] Der ‘Homo’ kommt da gerade recht, er kann für alles herhalten, ohne dabei wirklich gemeint zu sein. Und genau das ist das Problem. Denn das Wort verweist auf real existierende Personen.“

Tim Stüttgen (2006): HomoHop: Schwuler HipHop – Eine Bestandsaufnahme

Zitate einordnen

Überlege bei jedem Zitat, wie Homophobie dort zum Ausdruck kommt. Wenn du die Karte umdrehst, findest du die Lösung.

Schlagzeilen über homophobe Äußerungen – Beispiel „Keine Toleranz“ von G-Hot feat. Kralle (2007)

Bild lizenziert unter CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons, „Datei:Aggrogant – Cover.jpg“

Der Song „Keine Toleranz“ von G-Hot und Kralle gilt als eines der bekanntesten Beispiele für offen homophobe Texte im deutschen Rap. Schon im Refrain wird deutlich, worum es geht: „Keine Toleranz! – Wir dulden keine Schwuchteln!“ Hier geht es nicht um ironische Übertreibung oder einen Battle-Gegner, sondern um einen direkten Angriff auf homosexuelle Menschen – mit Hass, Abwertung und Gewaltfantasien.

In den Strophen wird diese Haltung immer wieder deutlich:

  • Kralle bezieht sich auf die biblische Schöpfungsgeschichte („Gott schuf Adam und Eva und nicht Adam und Peter!“) und erklärt Homosexualität damit für „unnatürlich“.
  • Politiker wie Klaus Wowereit, der offen homosexuell ist und in der Zeit Bürgermeister von Berlin war, werden indirekt angegriffen („Ihr lasst euch von Schwulen regieren“).
  • Homosexuelle Männer werden entmenschlicht („hat sowas kein Leben verdient“) und es wird sogar zu Gewalt aufgerufen („schneidet ihnen den Schwanz ab!“).
  • Zusätzlich werden Klischees bedient, z. B. die Verbindung von Homosexualität und AIDS oder die Abwertung von Travestiekünstlern und Transpersonen.


Warum ist das problematisch?

Hier wird Homosexualität nicht „nur“ abgewertet – der Song verbreitet klaren Hass, schürt Gewalt und stellt schwule Männer als Bedrohung dar, die man bekämpfen müsse. Dabei werden direkte Handlungsanweisungen gegeben, wie zum Beispiel „Vertreibt sie aus dem Land“ oder „wir müssen handeln“. So wird ein Weltbild gestützt, das Homosexuelle nicht als gleichwertige Menschen anerkennt, sondern sie entmenschlicht und zu Feinden erklärt. Solche Aussagen überschreiten deutlich die Grenze von Provokation oder „künstlerischer Freiheit“ und bewegen sich im Bereich strafbarer Volksverhetzung.

Folgen

Wegen des Songs kam es 2007 zu einer Strafanzeige wegen Volksverhetzung, unter anderem durch den Grünen-Politiker Volker Beck. Das Label Aggro Berlin beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit G-Hot.


Mehr zu queerem Rap: Podcast: „Queerer Deutschrap“

Quellen:
Begriff „Homophobie“: Schneider, Gerd / Toyka-Seid, Christiane (2025): Das junge Politik-Lexikon. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
Begriff „Homophobie“: Witzel, Annika (2022): FAQ – Was du über Homophobie wissen musst. Quarks.de.
Bundeszentrale für politische Bildung (2014): 1994: „Homosexualität nicht mehr strafbar“
Stüttgen, Tim (2006): HomoHop: Schwuler HipHop – Eine Bestandsaufnahme; in: Juice –
HipHop Music, Styles and Culture; Ausgabe 04/06; April 2006; piranha media
GmbH; München; Seite 72-74
Vanagas, W. (2021). „Gott schuf Adam und Eva und nicht Adam und Peter“. Homonegativität und -feindlichkeit im deutschsprachigen Battle- und Gangsta-Rap: Implikationen für didaktisch konzipierte Workshopmaterialien zu einer vorurteilsbewussten (außer-)schulischen Bildungsarbeit. In: Vanagas, A. (eds) Sexualpädagogische (Re)Visionen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32514-5_5
Hantzsch, Nora (2008): “„Schwule Rapper, es wird Zeit, dass wir Tacheles sprechen…“ Homophobie in der deutschen Rap-Szene”. In: Gender Bulletin 36 (65-82).
Wittmann, Martin (2007): „Schwulenfeindlicher Rap: Tief in die Kiste der Vorurteile gegriffen“. FAZ Online.

Bildquellen:
Foto Brüder: Kylo, lizensiert unter Unsplash
Foto Auberginen: Deon Black lizensiert unter Unsplash
Foto Lauch: Marciej Karon lizensiert unter Unsplash
Foto Krone: Carlos N. Cuatzo Meza lizensiert unter Unsplash
Foto G-Hot: Aggro Berlin „Datei:Aggrogant – Cover.jpg“ lizensiert unter CC BY-SA 2.0.